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VERÄNDERUNGEN DURCH DIE NEUE BAHN

Bevor es die Eisenbahn gab dienten Postkutschen der Personen- und Briefbeförderung. Hier 2 Postkutschen in der Hohenzollernstraße in Gammertingen.

Gammertingen 1931: Das Verladen von Schüttgütern an der Ladestraße aus dem Wagon auf ein Pferdefuhrwerk war Alltag. Der „Bennawagen“ war besonders stabil und diente dem Transport
schwerer Lasten.

Neufra noch vor dem Bahnbau. Die neue Bahnlinie wird die Ortschaft zerschneiden!

Schon frühzeitig warb die HzL für einen Besuch auf der Schwäbischen Alb. Tourismus wurde mit der Bahn erst richtig möglich.

In den letzten Jahrzehnten hat der Lokalhistoriker Botho Walldorf umfangreiche Zeitzeugeninterviews gemacht. Diese sind die Grundlage der folgenden Darlegungen.

Vor dem Bahnbau der Hohenzollerischen Landesbahn musste man ab 1850 bis Reutlingen, Hechingen oder Sigmaringen laufen oder eine teure Kutsche nehmen, um von dort mit der Bahn weiterzukommen. Warentransporte waren verhältnismäßig teuer. Unter diesen Umständen war es nicht verwunderlich, dass man vornehmlich in der näheren Umgebung blieb und sich selbst verpflegte. „Schwarzer Brei“ und „Schupfnudeln“ waren das Arme-Leute-Essen, Handwerk und Handel waren auf den bäuerlichen Bedarf ausgerichtet.

Durch die Aufnahme des Bahnbetriebes 1908 wurden zuerst die Frachtboten-Fuhrwerke von heute auf morgen arbeitslos. Vorher waren die Routen unter ihnen verteilt, z.B. Gammertingen – Reutlingen oder Gammertingen – Neufra – Ebingen. Auch die Vorspanndienste an den Steigen brauchte man nun nicht mehr. Das „Dampfross“ wurde als Fortschritt begrüßt, die Postkutsche war Vergangenheit, ihre Zeit wurde bald romantisch verklärt. Spätestens mit der Einführung des Kraftpostautos Ende der 1920er Jahre verschwanden die Kutschen endgültig auch aus bahnfernen Gegenden.

Mit der Bahneröffnung im Jahre 1908 hörte in Gammertingen auch die „Posthalterei“ des Theodor Schmid (1850 - 1908) in der  Reutlinger Straße 4 auf.  Der Zeit angepasst machte er nun auf der Bahnseite mit der Aufschrift „Schöne Fremdenzimmer“ Werbung.

Neue Berufe erwuchsen aus der Veränderung, der Handel nahm zu. Junge Menschen mussten nicht mehr automatisch in der Landwirtschaft arbeiten. Die schwierig zu bewirtschaftenden Hanglagen wurden daher aufgeforstet. Zu den neuen Berufen gehörte auch der bahnamtliche Rollfuhrunternehmer. Er allein durfte das mit der Bahn angekommene Frachtgut ausfahren. Bis in die 1950er Jahre gehörten die Güterbeförderer mit ihren Pferdefuhrwerken und ihrem Schaffschurz zum Dorf- oder Stadtbild.

Vermehrt konnten Kaufleute „Kolonialwaren“ anbieten, die pünktlich mit der Hohenzollerische Landesbahn angeliefert wurden. In besonderen Fässern kamen Salzheringe aus Hamburg in der Region Mittleres Laucherttal an. Wegen der nun guten Abtransportmöglichkeiten konnte ab 1910 der Apotheker Schmalz in Gammertingen eine Dörrkartoffelfabrik eröffnen. Sein Versuch, diese in den deutschen Kolonien  z.B. in Kamerun zu verkaufen, endete abrupt mit dem Ersten Weltkrieg.

Den Handel mit ländlichen Produkten nahmen um 1906 die Spar- und Darlehenskassenvereine in Gammertingen und Neufra auf. Anfangs war das Warenangebot nicht groß, aber die Landwirte konnten es auf Kredit kaufen. Die Waren kamen alle mit der Bahn an, manchen Kohlenwagen für den „Raiffeisen“ luden Taglöhner aus.  Das Warengeschäft wurde in Neufra noch bis in die 1990er Jahre betrieben. Wegen der Konkurrenz der Baumärkte wurde es dann aufgegeben.

Nicht zuletzt wurde durch die Bahn auch die mittlere Alb touristisch erschlossen.

Schon 1902 erschien in den Blättern des Schwäbischen Albvereins ein Beitrag, der die Reize der Hochtäler von Lauchert und Seckach rühmte und der den Begriff der „Rauhen Alb“ relativierte. Im Dritten Reich kamen vermehrt KdF (Kraft durch Freude) Besuchergruppen, die selbstverständlich mit der Landesbahn anreisten.

Tourismusförderung vor dem Ersten Weltkrieg

Auf diesem Plakat sind viele der Ortschaften, die durch die neue Bahn erschlossen wurden, dargestellt. Im Vordergrund eine c-Lok, bei der Fahrt von Hechingen, am Hohenzollern vorbei!