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DER STEINBRUCH

Um 1930 fanden zahlreiche Neufraer Arbeit im Steinbruch. Wie beim Bahnbau brachten Frauen ihren körperlich schwer arbeitenden Männern die Mahlzeiten.

Im April 1962 holt Lok 12 den Rest des auf Bahnhof Neufra hinterstellten Güterzugs. Hier am ehemaligen Steinbruch Waldhof als Leerfahrt nach Neufra.

Lageplan des Steinbruchs Waldhof mit Lade- und Abholgleis, Weichen und Gleiswaage bei der Verpachtung an die Hohenzollerische Landesbahn 1929. Staatsarchiv Sigmaringen Dep. 43 Nr. 273

1962: Lok 141 fährt mit einem Schotterzug talwärts am Steinbruch vorbei. Die Weichen und Einrichtungen für den Steinbruch sind bereits seit langem abgebaut, die Bewaldung hat bereits wieder eingesetzt.

An dieser Stelle wurde nach dem Ersten Weltkrieg ein Steinbruch eingerichtet. Die Natur hat diese Wunde in wenigen Jahrzehnten wieder geschlossen.

Der Steinbruch an der Strecke Neufra-Gammertingen wurde in den 1920er Jahren angelegt. Eine Chemiefabrik in Waldhof bei Mannheim, später die I.G. Farbenindustrie AG in Ludwigshafen, fand hier Kalkgestein in der richtigen chemischen Zusammensetzung als Ausgangsmaterial für ihre Produkte. Über die Entstehung dieses Steinbruchs ist heute nichts mehr bekannt.

1928 pachtete die HLB den Steinbruch gegen die feste Summe von 600 Reichsmark pro Jahr und einer Abgabe von 50 – 70 Pfennig pro Tonne verladener Menge Kalkstein, abhängig von der gebrochenen Menge. Im umfangreichen Vertrag wurde auch Bruchmeister Stanislaus Türk (1877-1947) übernommen und weitere Unterhaltungsleistungen vereinbart. *)

Der Bruch- und Schießmeister erhielt in den Folgejahren eine ausführliche Dienstanweisung, wann und wie die Sprengungen zu erfolgen hatten und wie die Sicherheit der Bahnlinie zu gewährleisten ist. Erwähnt wird, dass der Schießmeister „mit einer zuverlässigen, richtig gehenden Taschenuhr und einem gültigen Fahrplanbuch  der HLB sowie mit einer Signalflagge und Hupe ausgerüstet sein muss“. *)

Die Sammlung betrieblicher Vorschriften Ausgabe 1941 zeigt noch den  „Gleisanschluss Waldhof“. Nach dem Krieg geriet das aber alles in Vergessenheit. Aufgrund des nun herrschenden Materialmangels wurden die beiden Anschlussgleise abgebaut.

Um 1962 war das Gelände noch nicht bewaldet. Eine breite, ebene Fläche bis zu den sichtbaren Felsen zeigte, dass während des Betriebes dieses Steinbruchs doch erhebliches Material gebrochen wurde. Wie so oft wurde die abgelegene Stelle dann genutzt, um illegal Müll zu entsorgen. Heute ist der Steinbruch eine interessante ökologische Nische geworden. Die Natur hat sich zurückgeholt, wo Menschenhand vor Jahrzehnten einst künstlich eingegriffen hatte. 

*Staatsarchiv Sigmaringen, Dep. 43 Nr. 273

Der Ablauf des Ladevorgangs

Jeden Monat wurden bis zu 1000 Tonnen Schotter entnommen und mit der I.G. Farben abgerechnet, wobei die Menge Kalkstein über eine eingebaute Gleiswaage gemessen wurde.

Jeden  Monat wurden bis zu 1000 Tonnen Schotter entnommen und mit der I.G. Farben abgerechnet, wobei die Menge Kalkstein über eine eingebaute Gleiswaage gemessen wurde. Pro Tag wurden dabei zwei bis vier 2-achsige Wagen („Erfurt“) beladen. Der Vorgang lief folgendermaßen ab:

Mittels Kipploren, die auf einem Feldbahngleis liefen, wurde das gewonnene Gestein an den Gleisanschluss gefahren. Der bestand aus einem Gleis für ankommende leere und einem für abgehende volle Wagen. In letzterem war die Gleiswaage eingebaut. Die Fahrten zum Einstellen der leeren und Mitnahme der beladenen Wagen wurden mittels Sperrfahrt vom Fahrdienstleiter des Bahnhofs Gammertingen geregelt.

Die Dokumente stammen aus dem Staatsarchiv Sigmaringen, Dep. 43 Nr. 273

Erster Teil des Pachtvertrages zum Steinbruch. In diesem werden auf 3 Seiten detailiert die Rechte und Pflichten geregelt, zum Beispiel die Pachtsumme von 600 Reichsmark pro Jahr und der mengenabhängige Preis für den gebrochen Kalk. Außerdem wurde das Sprengstofflager und der Sprengmeister an die HzL übergeben.
Mit solchen Nachweislisten wurden die entnommenen Kalksteinmengen dokumentiert und anschließend mit der I.G. Farbenindustrie abgerechnet.


Die I.G. Farben AG wollte in den Folgejahren den Steinbruch an die Hohenzollerische Landesbahn verkaufen. Diese Bemühungen endeten 1933 mit der endgültigen Absage der HzL. Da die Farbenindustrie den Steinbruch nicht mehr nutzte geriet er immer mehr in Vergessenheit.