DIE BAUARBEITEN
Gauselfingen 1908: Italienische und einheimische Bauarbeiter stellen sich zum Gruppenfoto
Blickrichtung auf Neufra 1908, in der Nähe des heutigen Durchgangs: Neufraer Frauen bringen das Vesper an die Baustelle zu ihren Männern. Auch Neufraer Rossbauern hatten hier die Möglichkeit des Zuverdienstes.
Stolz präsentieren die Bauarbeiter an der Strecke ihre Werkzeuge. Die Schmalspurlok wurde nur für die Bauarbeiten eingesetzt.
Bahnbau 1899 zwischen Hausen und Burladingen. Für die Erdbewegungen transportierten die Schmalspurloks Loren, die nach der damaligen Arbeitsweise von Hand befüllt wurden – hier auf einer Baustellenbrücke.
Die Bauarbeiten an der Strecke wurden zügig angegangen, eine erste Gastarbeiterwelle war zur Durchführung notwendig.
Für die aufwendigen Arbeiten an der Bahnstrecke konnten in der näheren Umgebung nicht genügend Arbeiter gefunden werden – die bäuerliche Gesellschaft und die zunehmende Industrialisierung benötigten diese für andere Tätigkeiten. So lag es nahe, sich die ersten, auf Erdarbeiten spezialisierten Gastarbeiter, ins Land zu holen. Dies geschah durch italienische Vorarbeiter („Capos“), diese wiederum rekrutierten die Arbeiter vor allem im nördlichen Apennin. Die meisten waren so um die 25 Jahre alt. Manche hatten auch schon Familie.
Die körperliche Arbeit war hart, Maschineneinsatz gab es nur vereinzelt. Pickel und Schaufel waren die Hauptwerkzeuge, Arbeitsunfälle waren häufig. Erst 1900 war in Deutschland der 10-Stunden-Tag bei 6 Arbeitstagen in der Woche eingeführt worden. Um den Lohn gab es immer wieder Streit. Wie damals üblich wurden für streikende Arbeiter neue angestellt.
Für die Arbeiter blieb nur wenig freie Zeit zur Erholung. Und selbst diese nutzten manche für eine Nebenbeschäftigung, um zusätzliches Geld zu verdienen. In den Unterlagen findet man den Hinweis, dass zu dieser Zeit italienische Arbeiter den Brauereikeller des Schwanenwirts in Haigerloch gruben. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges sollte dieser Felsenkeller weltgeschichtliche Bedeutung erlangen, als das aus Berlin ausgelagerte Kaiser-Wilhelm-Institut dort Versuche mit einem Atomreaktor machte.
Untergebracht waren die Arbeitsemigranten in der Nähe der jeweiligen Arbeitsstätte. Oft rückten die Bauernfamilien in ihren alten Stadtbauernhäusern enger zusammen, um einem italienischen Logis-Herrn einen Platz zu bieten. Die kinderreichen Familien waren oft auf diese Zusatzeinnahmen angewiesen.
Auf Geheiß der königlichen Oberämter wurden „Fremdenbücher“ geführt. Streitereien unter den Bahnbauarbeitern und auch mit der Bevölkerung, die erstmals mit „Ausländern“ in Kontakt kamen, blieben nicht aus. Aber auch Beispiele guten Zusammenlebens gab es. In zeitgenössischen Berichten ist davon die Rede, dass die Italiener gerne sangen und musizierten.
Auch nach dem Bahnbau blieben einige Italiener im Land und machten sich zum Beispiel im Wasserleitungsbau nützlich. Manche Ehe mit Italienern ist in den Familienregistern der Kirchen eingetragen. Schwer hatten es diese verbleibenden Italiener im Ersten Weltkrieg, als ihre Heimat im Krieg mit den Mittelmächten stand. Noch heute erinnern italienische Namen der Nachkommen (z.B. von Teleforo Castelli (1882 - 1965) oder von Pietro Secundo Busato) in den Gemeinden an der Bahnstrecke an diese erste Gastarbeiterwelle.